Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Ein Buch über Wolfgang Grupp, den Chef von Trigema
Werbeprofis schütteln sich, wenn sie kurz vor der "Tagesschau" den amateurhaften Zwanzig-Sekunden-Spot mit dem Affen sehen. Vielen allerdings gilt der bebrillte Schimpanse, der die Zuschauer seit 1996 unverändert mit "Hallo, Fans" begrüßt, längst als Kult. In seinem Gefolge kommt viermal monatlich Trigema-Unternehmer Wolfgang Grupp in die Wohnzimmer, um im Kreise seiner Näherinnen stolz zu verkünden: "Auch in Zukunft werden wir nur in Deutschland produzieren und unsere 1200 Arbeitsplätze sichern." Der Auftritt zur besten Sendezeit kostet 2 Millionen Euro im Jahr.
Der fesch gestylte Textilfabrikant im knapp sitzenden Maßanzug gelangt auch häufig unentgeltlich auf den Schirm: Der Vorzeigeunternehmer von der Schwäbischen Alb, der in den vergangenen 40 Jahren alle Konkurrenten in den Schatten gestellt und den Niedergang seiner Branche erstaunlich gut verkraftet hat, mischt reihum bundesdeutsche Talkshows auf, wo er mit provokanten Sprüchen Managern Mäßigung, Verantwortung und Vorbildfunktion predigt. Das mantraartige Bekenntnis zu Standortpolitik und Unternehmermoral gehört zum Geschäftsmodell des versierten Selbstdarstellers. Ohne PR-Agentur hat es der Mittelständler aus Burladingen zu beträchtlicher Prominenz und breiter Akzeptanz für seine Produkte auf dem schwierigen Markt von Sport- und Freizeitkleidung gebracht.
Die ökonomischen Standpunkte des studierten Betriebswirts und seine Unternehmensphilosophie sind sattsam bekannt. Auch seine privaten Allüren und sein luxuriöser Lebensstil mit Reetdach-Villa, Privathubschrauber, Hausaltar und neuerdings einem protzigen Mausoleum fürs eigene Ableben wurden von der Presse genüsslich durchdekliniert. Warum also ein Buch, das alle Zeitungsartikel und Fernsehauftritte sorgsam sichtet und collagiert? Erik Lindner, spezialisiert auf Familiengeschichten wie "Die Reemtsmas" (2007) und "Die Herren der Container. Deutschlands Reeder-Elite" (2008), hat darüber hinaus Grupp, dessen Familie und Umgebung, Freunde und Feinde intensiv befragt.
Entstanden ist eine freundliche, keineswegs adorierende Biographie einer schillernden Unternehmerpersönlichkeit. Der Protagonist wird nicht unbedingt begeistert sein, wenn er darin liest, dass er "mit seinen auffälligen Hemden und der festlich wirkenden Kleidung für manchen wie ein Zirkusdirektor wirkt". Der Autor spricht ungeniert vom ambivalenten Exzentriker, bei dem es zu überprüfen gelte, ob er "ein eifriger Kapitalist mit bodenständigem sozialen Gewissen ist oder ein unzeitgemäßer Unternehmenspatriarch, der seine Leute unerbittlich zur Leistung treibt."
Außer Frage steht auch für Lindner Grupps Leistung, den vom Großvater gegründeten Familienbetrieb seit 35 Jahren vollständig eigenfinanziert zu führen - schuldenfrei und profitabel, ohne Kurzarbeit oder betriebsbedingte Entlassungen, selbst in der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise. Als Grupp mit 27 Jahren mit der Produktion von T-Shirts und Fußballtrikots die hochverschuldete Herrenunterwäsche-Firma auf Vordermann zu bringen begann, erreichte er durch einen raffinierten Vertrag bald eine Geschäftsleiter-Tantieme von jährlich 500000 D-Mark. Bei nicht gerade üppigen 85 Millionen Euro Jahresumsatz ist der Textiler heute ein saturierter Mann, der über Gewinn und Vermögen keine Angaben macht.
Gleichwohl ist mancherlei Interessantes aus Lindners Buch zu erfahren. So Details über die förderliche Produktion von NS-Braunhemden in der großväterlichen Fabrik und deren Vergrößerung durch den Zukauf eines arisierten Betriebes. Oder Einzelheiten über Grupps vehementen Kleinkrieg mit dem globalisierungsfreundlichen Ex-BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel. Und dass Grupp weder Angela Merkel noch Finanzminister Schäuble von seiner Idee einer Belohnung unternehmerischer Verantwortung und Haftung qua Steuersatz überzeugen konnte. Verschwiegen wird auch nicht, dass sich der militante Mindestlohnverfechter im eigenen Laden weigert, dem Tarifvertrag der Textilbranche beizutreten. Der sparsame Unternehmer kürze schon mal das Weihnachtsgeld bei Mitarbeitern, die zu viel krank gefeiert haben, erzählt Lindner. Auch an sich selbst spart der Schwabe ab und an.
Grupp erscheint als "strenger Patriarch" wie als "fürsorglicher Imperator", der vor allem Geld verdienen will. Erik Lindner schreibt ihm Härte und Milde gleichermaßen zu, "verpackt im Gewand eines meist optimistischen, manchmal aber auch überemotionalen Egomanen, der von sich selbst sagt, nur wenn man Erfolg habe und Gewinn mache, könne man auch sozial sein." Wie lange Grupps Geschäftsmodell heimischer Produktion und selbst geschaffener Vertriebswege über eigene Factory-Outlets und Online-Handel auf dem schwierigen Textilmarkt funktioniert, ist nicht abzusehen. Ebenfalls nicht, ob Sohn oder Tochter, beide Anfang zwanzig und noch im Londoner BWL-Studium, die Firma übernehmen.
Dauerhaft überleben wird Trigema vermutlich nur mit einer jüngereren Kundschaft. Und für die braucht es einen anderen Ton. Ein Blogger brachte es nach einer Talkshow im März 2010 auf den Punkt: "Allein dieser unsäglich bescheuerte Schimpansen-Werbespot kostet mehr Umsatz bei jeder Zielgruppe unterhalb der Stützstrumpf-Generation, als Herrn Grupp verständlich sein dürfte."
ULLA FÖLSING
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH