Hundechristus
„Il Resto del Carlino“, Samstag, 24. Juni 1943, XXI, Italien, Reich und Kolonien, 30 Centesimi
Der Feind wurde in der Ebene von Catania zurückgeschlagen. Im Westen ziehen sich die Achsenmächte auf frühere Positionen zurück. –
Jahrgänge 1907 bis 1922 werden einberufen.
Lokales aus Bologna: Zählung der Evakuierten – kein Stück Land bleibt unbebaut, Kriegsgärten werden vergrößert – Lebensmittel: Verteilung von Butter, montags von Kartoffeln. 80 Gramm Huhn oder Kaninchen für Personen, die sich rechtzeitig angemeldet haben. Radio: 20 Uhr 30. Il signor Bruschino (Lustspiel von G. Foppa)
Er fiel hin und das rettete ihm das Leben, denn das Projektil durchschlug mit einem trockenen Hustengeräusch das Fenster und streifte seine Nackenhaare, hinterließ auf seiner Haut ein leuchtend rotes Mal wie von einer Verbrennung.
De Luca fiel zu Boden, er hatte keine Zeit, die Hände auszustrecken, und plumpste mit dem Gesicht auf ein pralles Bündel, das so weich war, dass es sich nicht wie ein Sack, sondern wie ein Kissen anfühlte.
Er war in das falsche Haus eingedrungen. Es war eine mondlose Nacht Ende Juli und er hatte sich in der Dunkelheit verirrt, er hatte so sehr aufgepasst, nicht in den Kanal zu fallen, dass er gar nicht auf die dunklen Silhouetten der Gehöfte am Stadtrand geachtet hatte, wo schon das offene Land begann. Aufgrund der Verdunkelung und mehr noch aufgrund des Bombardements am Vormittag,
allerdings in der Ferne, waren die wenigen Laternen
ausgeschaltet, und als De Luca vor der schwarzen, schnurgeraden Mauer stand, hatte er einfach Rassettos Plan ausgeführt: Er drang von hinten ein, während sich die anderen auf der Vorderseite Zugang verschafften.
Die Tür war nicht verschlossen, allein daran hätte er erkennen müssen, dass das nicht das Haus des Schwarzhändlers war, doch die militärische Seite der Einsätze war nie seine Stärke gewesen, er
war immer viel zu nervös. Deshalb war er einfach weitergegangen, und da sich hinter der Tür eine Treppe befand, war er auf allen vieren hinaufgekrochen wie eine Katze, denn die Batterie seiner Taschenlampe war schon seit geraumer Zeit leer und er sah so gut wie nichts.
Am oberen Ende der Treppe nahm ihn das intensive Summen von Fliegen in der schwülen Luft gefangen. Er hatte keine Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und stolperte über etwas zu seinen
Füßen. Dann war das Glas des einzigen Fensters unter dem vorspringenden Dach gesplittert, ein Brennen im Nacken, etwas Weiches, Pralles in seinem Gesicht, doch er hatte gar nicht bemerkt, dass man auf ihn geschossen hatte, und als er aufstehen wollte, rutschten seine Hände in einer Lache aus klebrigem Zeug aus. Wahrscheinlich
hatte er beim Hinfallen einen Topf mit Zuckersirup umgestoßen. Er hatte nämlich gehört, wie ein Glas über die Bodenbretter rollte, der süßliche Geruch war ihm in die Nase gestiegen und er glaubte noch immer, er befände sich in einem Lager mit geschmuggelten Lebensmitteln.
Draußen setzte ein allgemeines Geschrei ein, diesmal hörte er den Schuss und begriff, dass er aus einer anderen Richtung kam, und da zog er die Pistole aus der Jackentasche, mit seinen klebrigen
Fingern konnte er sie kaum halten. Er kehrte zur Treppe zurück und lief sie rasch hinunter, zum einen
wegen des Adrenalinschubs, zum anderen, weil die erste Kugel das mit einer Staubschicht überzogene Fenster durchbrochen hatte und nun etwas Licht hereindrang. Den Stimmen folgend lief er um das Haus herum und trat auf den dunklen Hof. Dort lag ein Junge auf dem Boden, ein weißer Fleck in Unterhose und Unterhemd. Massaron, ein noch dunklerer und massiver Schatten, hatte ihn zu Boden gestoßen. Am metallischen Klimpern erkannte er, dass er ihm gerade Handschellen anlegte.